Lang anhaltender Applaus für Dr. Tim Grüttemeier im Stadtrat. Gemeinsame Liste von Koalition und den Oppositionsfraktionen.
Nur wenige Minuten nach der Vereidigung von Dr. Tim Grüttemeier als neuer Stolberger Bürgermeister fallen Schüsse auf dem Kaiserplatz. Gezielt wird von den elf Schützen aber in die sichere Höhe. Es sind die Böllerschützen, der Breiniger St. Sebastianus-Schützenbruderschaft, die unter der Leitung von Thomas Weiss dem frisch verpflichteten Stadtrat ihre Referenz erweisen und eine neue politische Ägide in Stolberg wahrlich lautstark begrüßen.
Solch bayerischen Verhältnisse sind neu in der Kupferstadt, ebenso neu wie das Gruppenbild, zu dem sich die Ratsmitglieder auf der Treppe des alten Rathauses im Anschluss an ihre konstituierende Sitzung zusammenfinden.
Sie verläuft in rekordverdächtigem Tempo. Denn neu ist auch, dass sich die Ratsmehrheit aus CDU und SPD mit den drei Oppositionsfraktionen aus Grünen, Linken und FDP einvernehmlich auf eine gemeinsame Liste zur Besetzung der Ausschüsse und Gremien sowie der Vergabe der Mandate in Beiräten, Aufsichtsräten und Versammlungen in diversen Gesellschaften und Verbänden geeinigt hat. Angesichts der Harmonie in solch organisatorischen Fragen sind auch die strukturellen Veränderungen bei den Ausschüssen nur eine Formsache. Das war nicht immer so in Stolberg, beschreibt aber einen neuen Stil, auch der parlamentarischen Opposition die Möglichkeit zu bieten, in der Sache kontrovers um Lösungen zu ringen.
Volle Zuschauertribünen
Es ist Punkt 18 Uhr, als Ludwig Hahn als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Rates vor gut gefüllten Zuschauertribünen eröffnet. Verwandte, Freunde, interessierte Bürger und Mitarbeiter der Verwaltung möchten den Start in die neue Legislaturperiode miterleben. Niemand im Rat „fühlt sich“ auf Nachfrage von Hahn älter als er. Somit kann der noch 72-Jährige die ersten, formalen Punkte der Tagesordnung abhandeln. Der erste Beschluss des Stadtparlaments gilt seinen Schriftführerinnen: Edith Janus-Braun und Andrea Lawniczak werden diese Aufgabe übernehmen.
Dann ruft Hahn die Vereidigung des Bürgermeisters auf. Dr. Tim Grüttemeier tritt an die Verwaltungsbank und spricht die Eidesformel nach: „Ich schwöre, dass ich das mir übertragene Amt nach bestem Wissen und Können verwalten, Verfassung und Gesetze befolgen und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ Dann legt der Alterspräsident Tim Grüttemeier zum ersten Mal die schwere Amtskette mit dem Stadtwappen an.
Lang anhaltender Applaus von den Ratsbänken wie von den Tribünen würdigt die Vereidigung. Als erster gratuliert der Fraktionsvorsitzende der CDU herzlich mit Blumen. Jochen Emonds ist ein Freund und langjähriger politischer Weggefährte des neuen Verwaltungschefs. Es folgen die Vertreter der übrigen Fraktionen, und auch der aus dem Rat ausgeschiedene Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Axel Wirtz überreicht einen Blumenstrauß.
In einer kurzen Ansprache gelten die ersten Worte des neuen Bürgermeisters seinen Wählern. „Ich bedanke mich für das Vertrauen“, sagt der 33-Jährige. Sein zweiter Dank gilt den Mitarbeitern der Verwaltung für die gute Aufnahme, denn pünktlich zum 23. Juni hat der Christdemokrat die Amtsgeschäfte aufgenommen.
Beigeordnete werden gewählt
Der dritte Dank gilt seinem Vorgänger Ferdi Gatzweiler, der als Ratsherr Platz genommen hat in den Reihen der SPD-Fraktion: „für den fairen Wahlkampf und die umfassende Amtsübergabe“, denn das, so Grüttemeier weiter, „ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit.“
Der Bürgermeister blickt aber auch schon einmal auf die „vielen Herausforderungen“, die die Kupferstadt noch bewältigen muss. Sein Appell gilt allen Fraktionen und Bürgern, „Stolberg gemeinsam nach vorne zu bringen“.
Nächster Punkt des Abends ist es, die Ratsmitglieder zur gewissenhaften Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu verpflichten. Sie stehen auf und sprechen die Formel nach. Zwei Ratsmitglieder werden diese Vereidigung nachholen müssen: Arthur Kaldenbach (CDU) und Udo Rüttgers (Piraten) fehlen entschuldigt.
Verändert ist übrigens die Sitzordnung im Stadtrat. Angelehnt an die „großen“ Parlamente sitzen nun alle Fraktionsvorstände in der ersten Reihe: Von links die Linke, SPD und Grüne sowie rechts des Ganges FDP und CDU; die weiteren Ratsmitglieder reihen sich jeweils dahinter ein. Die Einzelvertreter von Parteien und Wählervereinigungen bleibt der Platz in der hinteren Stuhlreihe vorbehalten.
Eine Überraschung gibt es dann doch noch an dem Abend. Die Wahl der zwei stellvertretenden Bürgermeister erfolgt geheim. Zwei Nein-Stimmen entfallen auf den Koalitionsvorschlag. Karina Wahlen (CDU) tritt ihre zweite, Patrick Haas (SPD) seine erste Amtsperiode an.
Einstimmigkeit herrscht im Stadtrat aber wieder beim Vorschlag der Koalition, die Verwaltung neu zu strukturieren und zwei Beigeordnete zu wählen. Die Verwaltung wird beauftragt, die Details zu erarbeiten. Bereits am Samstag sollen die Stellen ausgeschrieben werden.
Dabei wird die SPD das Vorschlagsrecht für das Dezernat Jugend, Schule, Sport und Soziales haben, die CDU für das Dezernat Technik. Dabei betonen die Vertreter der großen Koalition bei der Präsentation ihrer Vereinbarungen am Nachmittag, dass die Besetzung der politischen Wahlbeamtenstellen „ausschließlich auf Basis der fachlichen Eignung“ erfolgen darf.
Es ist das zweite Mal in der Stolberger Geschichte, dass die Vertreter der beiden großen Volksparteien ihre Unterschriften unter einen gemeinsamen Vertrag setzen. So knüpft die aktuelle Vereinbarung auch klar an den im Dezember 2011 eingeleiteten Weg an, „die finanzielle Situation der Stadt Stolberg deutlich zu verbessern“.
Einig sind sich die Fraktionsvorsitzenden Jochen Emonds (CDU) und Dieter Wolf (SPD) in der Bewertung des auf 13 Seiten festgehaltenen Vertrages. „Dank der guten Zusammenarbeit der letzten Jahre hat es viele Schnittmengen gegeben“. Ebenso einig sind sich Sozial- wie Christdemokraten, wichtige Eckpunkte ihrer im Wahlkampf gestellten Forderungen fixiert zu haben. Emonds verweist auf das im Dialog mit den Bürgern fortgeschriebene Kommunalpolitische Programm der CDU, SPD-Politiker Patrick Haas erkennt eine sozialdemokratische Handschrift. Und Dieter Wolf betont, dass die Vereinbarung über die gesamte Legislaturperiode gilt, denn: „Wir wollen Erfolg haben für Stolberg und seine Bürger.“
Einmütig Vertrag verabschiedet
Erst am Abend zuvor hatten die Fraktionen der beiden Parteien nach intensiven Gesprächen den Vertrag einmütig verabschiedet. „Die SPD ist geschlossen und voller Tatendrang“, betont Wolf mit Blick auf die für die Genossen schwierige Aufarbeitung des Wahlergebnisses. „Die schlimme Niederlage war in diesem Ausmaß nicht absehbar.“ Aber die Partei habe die Ergebnisse analysiert und diskutiert sowie über den weiteren Weg debattiert. „Wir wollen die Fortsetzung der großen Koalition.“
Dies unterstreicht Emonds, obwohl die CDU rechnerisch auch Alternativen gehabt habe. Auch mit Blick auf das Stärkungspaket stehe Stolberg vor großen Herausforderungen, die auf einer breiten Basis gelöst sein wollen.
Quelle: Stolberger Zeitung / Nachrichten