Stolberg setzt ein klares Zeichen. Zustimmung zur Erhöhung der Städteregionsumlage einstimmig verweigert. Einstimmig verweigert hat der Hauptausschuss sein Benehmen mit der geplanten Erhöhung der Städteregionsumlage. Mit einer Mehrbelastung von 3,4 Millionen Euro würde die Umlage mit einem Gesamtvolumen von über 37 Millionen Euro zum größten Batzen des Stolberger Haushaltes werden: noch vor den eigenen Personalkosten.
„Sie haben ohne zu dramatisieren die Situation beschrieben“, lobte Dieter Wolf (SPD) den Bürgermeister für seine Lagebeschreibung, die nichts beschönige. Zu Recht führe Tim Grüttemeier die Appelle an Bund und Land, für eine solide Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen, sowie an die Städteregion, selbst zur Konsolidierung ihres Haushaltes beizutragen. „Die Auswirkungen der Pläne des Städteregionsrates sind gravierend“, pflichtete auch Jochen Emonds (CDU) bei. Er hoffe, dass der Städteregionstag seine Zustimmung verweigere. „Wir setzen hier ein klares Zeichen“, so Emonds. Grüttemeier erwartet nun, dass die Städteregion und die Kommunen in konstruktiven Verhandlungen zu einem erfolgreichen Ergebnis für Stolberg und die übrigen Städte und Gemeinden kommen werden.
Protest gegen Kosten der Städteregion
Fünf von zehn Kommunen wollen nicht noch mehr Geld ans Städteregionshaus überweisen, weil ihnen selbst das Geld fehlt
Hierher fließt das Geld der Kommunen: Die Aufgaben, die im Städteregionshaus erledigt werden, kosten sukzessive mehr Geld. Doch viele Kommunen sind nicht mehr bereit, noch mehr Geld nach Aachen zu überweisen. Foto: Harald Krömer
Aachen. Eschweiler, Stolberg, Alsdorf, Würselen und Roetgen verweigern der Städteregion das „Benehmen“. Herzogenrath und Baesweiler protestieren. Was sich ein wenig nach kleinkindlicher Trotzphase auf kommunaler Ebene anhört, könnte der Beginn einer kommunalpolitischen Revolte sein. Denn gleich fünf von zehn Städten und Kommunen wollen die Kosten der Städteregion in ihrer jetzigen Form nicht mehr tragen.
Auslöser für die Gefolgschaftsverweigerung war ein gewöhnlich unspektakulärer Verwaltungsakt. Die Städteregion unterrichtet die kommunalen Parlamente über die Höhe der jährlichen Umlage, die die Städte an die Städteregion abführen müssen. Da die Stadträte keinerlei Kompetenzen darüber besitzen, wie viel Geld sie denn an die Städteregion zahlen, können sie die Umlage letztlich nur abnicken. „Benehmensherstellung“ heißt das im Verwaltungsdeutsch.
Soll die Städteregion doch sparen
Doch eben jenes Benehmen verweigern nun die Hälfte aller Kommunen, weil die Städteregion für ihren Doppelhaushalt 2015 und 2016 noch einmal mehr Geld von den Kommunen fordert. 317 Millionen Euro zahlten die zehn Kommunen für den Haushalt der Städteregion im laufenden Jahr. Nun sollen für alle Kommunen noch einmal ein paar Millionen mehr hinzukommen. Das ist nicht zuletzt auch deshalb so pikant, weil die Städteregion als Aufsichtsbehörde die klammen Kommunen zum Sparen zwingt, während die Umlage, die Städte und Gemeinden an die Städteregion zahlen müssen, sukzessive wächst. „Es reicht. Soll die Städteregion doch selbst sparen“, war der wohl meist gesagte Satz in den Ratssälen von Roetgen bis Würselen in den vergangenen Tagen. Lediglich die Stadt Aachen gab sich bedeckt. Im Finanzausschuss gab es keine Bedenken. Doch das dürfte nicht zuletzt an der Aachener Sonderrolle liegen, weil sie nur für die Leistungen zahlt, die sie an die Städteregion abgegeben hat.
Dass die Städteregion mit ihrem Etat im laufenden Jahr 2014 nicht in Saus und Braus lebt, wissen alle Beteiligten. Auch bei der Städteregion steigen die Sozialkosten und die Umlage, die sie wiederum an den Landschaftsverband Rheinland zahlen muss, latent an. Insofern hat Eschweilers Bürgermeister Rudi Bertram sogar Verständnis für die geplante Umlageerhöhung. Doch die Kritik daran, dass sich die Städteregion Dinge leistet, die in den Kommunen schon lange tabu sind, ist nicht mehr zu überhören. „Während wir Personal abbauen müssen, steigen die Personalkosten in der Städteregion an. Das geht nicht“, nennt Bertram ein Beispiel.
Zwar kann sich der Städteregionstag bei seinen Haushaltsbeschlüssen über das ausgebliebene „Benehmen“ der Kommunen hinwegsetzen. Dass er dies tut, ist allerdings unwahrscheinlich. Nicht zuletzt, weil der Städteregion Widerstand aus allen politischen Lagern entgegenschlägt. Neben den SPD-Kommunen Eschweiler, Würselen und Alsdorf ist auch die CDU-Stadt Stolberg ausgeschert. Die wirtschaftlich stark angeschlagene Stadt, die seit einigen Monaten von CDU-Bürgermeister Tim Grüttemeier regiert wird, fürchtet, dass sie eigene öffentliche Leistungen wie Schwimmbad oder Bibliothek schließen muss, wenn sie die Umlageerhöhung der Städteregion tragen muss.
Und so ist CDU-Fraktionsvorsitzender Dieter Wolf aus der schwarz-grünen Regierungsmehrheit bemüht, sein Verständnis für die klammen Kommunen auszudrücken. Gleichzeitig macht er auf die Not der Städteregion aufmerksam. „Unsere Kosten steigen permanent, gleichzeitig ist unsere Ausgleichsrücklage aufgezehrt. Da die Städteregion kaum Geld erwirtschaften kann, bleibt uns keine andere Wahl, als die Umlage zu erhöhen“, sagt Wolf. Man werde aber natürlich auf die Bedenken der Kommunen eingehen und alle Posten auf den Prüfstand stellen.
Die politische Diskussion, was die Städteregion leisten soll und was nicht, könnte heute bei der Sitzung des Städteregionstages schon starten. Martin Peters, SPD-Fraktionschef im Städteregionstag, hat bereits klare Vorstellungen, wie die Kommunen entlastet werden könnten: Verzicht auf einen Doppelhaushalt, Aufstellung eines freiwilligen Haushaltssicherungskonzeptes für die Städteregion und ein Strukturprogramm, um Einsparpotenziale zu identifizieren. Einen entsprechenden Antrag hat die SPD zwar von der Tagesordnung nehmen lassen. „Das werden wir aber wieder zum Thema machen“, sagt Peters.
Der Streit um die Umlage in der Städteregion dürfte auch außerhalb der Region aufmerksam wahrgenommen werden. Aufgrund der wachsenden finanziellen Not der Kommunen wachsen die Spannungen zwischen Städten und den von ihnen durch Umlagen finanzierten Gebietskörperschaften wie Kreise oder eben die Städteregion. Denn obwohl es seit 2013 ein sogenanntes Umlagengenehmigungsgesetz gibt, sind die Kreise recht autonom in der Festlegung der Höhe der Umlage. Zwar ist die Städteregion gesetzlich dazu verpflichtet, Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation seiner Kommunen zu nehmen. Doch gibt es für die betroffenen Kommunen letztlich kaum eine Chance, sich gegen die Höhe der Abgaben an die Städteregion zu wehren. Im Gespräch mit unserer Zeitung erneuerte der Städte- und Gemeindebund NRW seine Kritik am Umlagegenehmigungsgesetz, weil es dort keinerlei Maßstäbe gebe, wann eine Genehmigung verweigert werden könne. Der Streit zwischen Kommunen und Städteregion muss also auf der politischen Ebene beigelegt werden.
Und dieser Prozess dürfte schmerzhaft werden, denn in seinem Verlauf werden die Kommunen alle freiwilligen Ausgaben der Städteregion zur Disposition stellen wollen. Das bedeutet, dass einige lieb gewonnene Projekte der Städteregion vom Aus bedroht sein werden. Bei der Instandsetzung der Kreisstraße könne man sparen, gibt Martin Peters ein Beispiel. Die kommunalen Straßen seien in schlechterem Zustand, sagt er. Und auch der Plan von Städteregionsrat Helmut Etschenberg, in Kalterherberg in der Eifel ein Kompetenzzentrum Radfahren zu errichten, dürfte lauter als bislang hinterfragt werden.
Eben jenes Kompetenzzentrum wird vielleicht heute Abend zum Gradmesser dafür werden, wie weit sich der Städteregionstag bereits vom Widerstand der Kommunen beeinflussen lässt. Unter Tagesordnungspunkt 22 wird das Parlament über den Fortgang des Projekts beraten. Für Stimmung ist gesorgt.