„Das ist gut für Stolberg“, sagt das Pärchen, das sich in der Fußgängerzone nach Neuigkeiten erkundigt. Dort steigt „weißer Rauch“ auf: Klaus Victor und Fred Pfennings sind sich einig geworden. Am Mittwochabend setzten die beiden Unternehmer ihre Unterschriften unter die Verträge zur Übernahme des Kaufhauses und des Parkhauses; über den Kaufpreis ist Stillschweigen vereinbart. Der am 10. Januar zu Ende gehenden Ära Victor folgt ein Neuanfang. Einzelhandel soll in diesem belebten Teil der Fußgängerzone in großem Umfang erhalten bleiben und um weitere Anziehungspunkte ergänzt werden.
„Ich bin froh, dass es gelungen ist, das Ensemble als Frequenzbringer für die Innenstadt zu halten und zu stärken“, fällt Tim Grüttemeier der sprichwörtliche Stein vom Herzen. Frühzeitig hat Fred Pfennings den Bürgermeister und sein Team um den Technischen Dezernenten Tobias Röhm eingebunden, um machbare Veränderungen an dem Gebäudekomplex auszuloten. „Es ist eine sehr konstruktive Zusammenarbeit“, lobt Pfennings.
Wie bereits vor zwei Jahren, als der Mineralölunternehmer aus Baesweiler die 1995 errichtete Victor-Passage übernahm, war die Immobiliengesellschaft der Sparkasse als Maklerin in das Projekt involviert, für dessen Umbau der Architekt Peter Kutsch vom Büro nbp aus Roetgen unterschiedliche Szenarien entwickelt hat.
„Wir sind noch sehr flexibel“, sagt Fred Pfennings. „Vieles ist vorstellbar.“ Das Erdgeschoss soll jedenfalls dem Einzelhandel vorbehalten bleiben. Anders als bisher soll ein interessanter Mix aus unterschiedlichen Branchen entstehen. Einen Schwerpunkt sieht Pfennings im Bereich Sport und Mode sowie in unterschiedlichen Fachgeschäften. Geschäfte aus den Bereichen Lebensmittel und Gastronomie sollen für zusätzliches Leben in Kaufhaus und Innenstadt sorgen – auch über die bisher gewohnten Ladenschlusszeiten hinaus. Dies ist auch für das erste Obergeschoss möglich, wo zusätzlich auch Büro- und Praxisflächen entstehen sollen. Büro- und barrierefreier Wohnraum zur Sonnenseite, zum Vichtbach hin, stehen auf der Agenda. Je nach Konzept können bis zu 20 Wohnungen geschaffen werden. „Die Nachfrage ist immens“, weiß Pfennings auch von seiner aktuellen Neugestaltung in der Rathaus-Passage.
Mit dem Umbau des Kaufhauses möchte der Unternehmer zügig nach dem Eigentumsübergang der Immobilie zum 1. März beginnen. Bis Ende Januar sollen die Projektskizzen in bauantragsreife Pläne gegossen sein. „Das ist auch die große Chance für alle interessierten Mieter“, macht Fred Pfennings aufmerksam, dass er ganz individuell auf unterschiedliche Interessen bei Ausstattung und Größe eingehen kann.
„Machbar sind auch Gewerbelokale über zwei Etagen hinweg“. Was beispielsweise für Bewerber aus der Gastronomie ausgesprochen interessant sein kann, zumal eine Ausbau-Variante die Realisierung eines Innenhofes mitten in dem Ensemble, das sich über einst vier Gebäude hinzieht, vorsieht. „Es gibt bereits konkrete Interessenten, weitere sind willkommen“, sagt der Unternehmer, der zur Höhe der geplanten Investitionen nur verrät, dass sie die Größenordnung des Kaufpreises haben werden. Immerhin ist eine völlig neue Gestaltung der Dachflächen vorgesehen, wo zusätzlicher Wohnraum entsteht – barrierefrei, versteht sich. Erneuert wird auch der Aufzug, so dass selbst komplette Betten ins Obergeschoss befördert werden können...
Grundlegend saniert werden soll das Parkhaus mit 342 Stellplätzen, das von der Grüntal- ebenso wie von der Bergstraße aus anfahrbar ist. Das obere Parkdeck soll überdacht, ein neuer Aufzug, eine zeitgemäße Bezahlanlage sowie eine moderne LED-Beleuchtung eingebaut werden. Auch eine Videoüberwachung und weitere Sicherheitseinrichtungen sollen das Parkhaus komfortabler und eben sicherer machen. Darüber hinaus denkt Pfennings über Angebote und Synergieeffekte in Kooperation mit den Mietern und Nutzern von Kaufhaus und Passage nach. „Ich blicke mit Optimismus auf die Herausforderungen“, sagt der Investor, für den sein Einsatz auch mit entscheidenden Risiken behaftet ist. Aber für Fred Pfennings ist das Engagement in der Kupferstadt ein klares Bekenntnis zum Standort Stolberg und zu dessen guten Perspektiven. Ehefrau Andrea stammt aus Stolberg, wo ihre Eltern noch wohnen. Zuerst mit einer Tankstelle im Gewerbegebiet Steinfurt, zuletzt mit der Übernahme der Victor-Passage vor zwei Jahren dokumentierte der Baesweiler sein Engagement, das passgenau zu den Maßnahmen zur Revitalisierung der Innenstadt nachhaltige Akzente in der Kupferstadt setzen soll.
Dass seine Immobilien in guten Händen sind, freut auch Klaus Victor. „Es ist schade, dass wir sie abgeben mussten“, bedauert der Kaufmann aus Monschau. „Aber die Zeiten eines klassischen Kaufhauses gehen zur Neige.“ Hertie und Kaufhallen gebe es nicht mehr, für Karstadt und Kaufhof sei es eng am Markt. „Es hat aber auch gute Zeiten in Stolberg gegeben.“ Immerhin 25 Jahre lang hat Victor in der Kupferstadt wichtige Akzente gesetzt und versucht, auf Marktveränderungen zu reagieren. Kontinuierlich wurde zunächst die Verkaufsfläche erweitert – zuletzt 2007 auf 4500 m2 durch das Angebot im Keller. Aber neben dem Internet hätten zunehmend Fachmärkte das breite Kaufhaus-Sortiment bedroht – von Parfüm und Drogerieartikel über Spielwaren bis hin zu Elektrosachen.
Anders als am Standort Imgenbroich, wo sich nun C&A niederlässt, fehlte in Stolberg Platz für eine grundlegende Umstrukturierung – und zuletzt auch die Frequenz von Kunden. Für sie gibt es jetzt noch einmal bis zum 10. Januar Rabatte von 50 bis zu 80 Prozent auf die verbliebene Ware. Nachdem Klaus Victor vor einem Jahr das Ende seines Kaufhauses in Aussicht stellte, hatten die rund 30 Mitarbeiter Zeit, sich neu zu orientieren. Fünf wechseln an den Standort Imgenbroich. Die Masse habe selbst neue Beschäftigungen gefunden oder wechsele in den Ruhestand. Zwei Angestellte seien noch auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung.
Quelle: Stolberger Zeitung / Nachrichten