Anwohner fordern Sperrung der Burgstraße

Die Vertreter der CDU sicherten zu, die Anliegen in die beginnende Debatte ins Rathaus zu tragen.

Auf „der wertvollsten Straße Stolbergs“ fahren zu viele Autos viel zu schnell: Für einzelne Fußgänger wie auch für touristische Gruppen sei das Pflaster der schmalen Altstadtstraße lebensgefährlich.Fotos: J. Lange
Auf „der wertvollsten Straße Stolbergs“ fahren zu viele Autos viel zu schnell: Für einzelne Fußgänger wie auch für touristische Gruppen sei das Pflaster der schmalen Altstadtstraße lebensgefährlich.Fotos: J. Lange

Seit mehr als 30 Jahren beschweren sich die Altstadtbewohner über die Verkehrssituation auf dem Pflaster dieser Anlieger-Spielstraße.


„Burgstraße: Spielen zu gefährlich“, titelt unsere Zeitung am 20. Februar 1984 nach einer Aktion der Stolberger Grünen. Sie hatten mit ihren Kindern an einem Samstagmorgen die Burgstraße so genutzt, wie sie offiziell ausgewiesen ist – als Spielstraße: als verkehrsberuhigten Bereich, den nur Anlieger befahren dürfen. Das Ergebnis ist ein langer Rückstau, wütende Autofahrer und die Einsicht, dass es viel zu gefährlich ist für Kinder auf der Burgstraße.


31 Jahre später, am Mittwoch gegen 19 Uhr, hat sich an dem Bild nichts geändert. Diesmal ist es der Ortsverband Mitte der CDU, der alle Interessierten eingeladen hat. Gut 25 Bürger treffen sich mit fünf Parteimitgliedern an der Ecke zum Steinweg, um bei einem kleinen Spaziergang Richtung Alter Markt auf die besonderen Problembereiche aufmerksam zu machen. Und schon sind die Besucher wieder in der Gefahrenzone, müssen sich vor rasenden Autos, gefährlich schnell fahrenden Bussen und aufbrausenden Motorradfahrer in Sicherheit bringen.


Manfred Blumberg bietet dazu die Gelegenheit spontan an seinem Ruhetag im kleinen Saal vom „Weißen Rössl“. Der hat in den vergangenen drei Jahrzehnten zahlreiche Versammlungen der unterschiedlichen Art zum selben Thema erlebt: Es fährt zu viel Verkehr zu schnell durch die Altstadt, obwohl das nicht sein darf. Geredet wurde mehr oder weniger erbost unregelmäßig regelmäßig über das Problem, gelöst wurde es jedoch nie.


Herbert und Bärbel Bank sind Anlieger, die das ganze Leid von Anfang an live erlebt haben. Sie erwarben die Adler-Apotheke in den 1970er Jahren. Damals dachte die Stadt darüber nach, die Altstadt abzureißen, um die Kreisstraße 6 – Burg-, Vogelsang- und Hastenrather Straße – verbreitern zu können.„Das kann doch nicht sein“, sagten sich die Banks. Sie sollten recht behalten. Die „Altstadt europäischen Ausmaßes“, so bescheinigen es Städtebauhistoriker, wird saniert, und eine Lösung für den zunehmenden Verkehr nach langen Diskussionen über die Trassenführung wird gefunden – zumindest theoretisch: Von der Zweifaller Straße in Höhe der Bleihütte durch den Burgholzer Graben bis zur Verlängerung von Höhen- und Hastenrather Straße hinter dem „Lindchen“ führt die K 6 n, die neue Kreisstraße, die die Altstadtachse vom Durchgangsverkehr verschonen soll.


Tut sie aber nicht. Das sagen die Betroffenen damals, später und heute. Die K 6 n nimmt zwar immer mehr neue Verkehre auf, aber der innerörtliche Durchgangsverkehr läuft weiter mitten durch die Altstadt – seit über drei Jahrzehnten ebenfalls in zunehmendem Maße und bei wachsender Verärgerung der Bewohner der historischen Straßenzüge. Während die Suche nach Lösungen mehr Zeit in Anspruch nimmt, sind die wichtigsten Mängel schnell vor Augen geführt:


- Es sind nicht nur die Anwohner, die die Burg- und Vogelsangstraße nutzen, sondern es herrscht reger Durchgangsverkehr zwischen der Innenstadt sowie Donnerberg und Eschweiler. Gemessen wurden in Fahrtrichtung Alter Markt über 10 300 Fahrzeuge im Tagesschnitt, in Gegenrichtung etwa 11 400.


- Es hält sich kaum jemand an die Schrittgeschwindigkeit.


- Linienbusse (und manches Taxi) fahren fast immer zu schnell, ihnen bleibt laut Fahrplan von der Haltestelle Altstadt bis zur Ecke Hastenrather Straße / Lindchen gerade einmal vier Minuten für 1,4 Kilometer – das macht einen Durchschnitt von rund 21 km/h.


- Die Beschilderung ist zu klein, an falschen Stellen montiert oder nicht sichtbar, weil zugewachsen.


- Wer aus der Haustür auf die schmale Burgstraße tritt, läuft Gefahr von einem Kraftfahrzeug erfasst zu werden.


- Lärm, Abgase, Erschütterungen ziehen Bewohner und Gebäude in Mitleidenschaft.


- Angesichts der Verkehrsverhältnisse bangen Gästeführer der Stolberg-Touristik bei ihren Rundgängen um Leib und Leben der Besucher.


- Die Lebensqualität der Anwohner leidet erheblich, der Wert der Immobilien leidet.


- Es erfolgen keine wirkungsvollen Kontrollen oder sie sind technisch nicht durchführbar.


- Obwohl die Burgstraße eine Spielstraße ist, ist ein Schulweghelfer erforderlich, um die Kinder sicher über die Fahrbahn zu geleiten. Und zum Spielen ist es nach wie vor zu gefährlich.


„So geht‘s nicht weiter“


„So kann es hier nicht mehr weitergehen“, darin sind sich alle Teilnehmer des Rundgangs einig. Sie fordern einerseits schnelle, andererseits aber auch nachhaltige Lösungen. Und Martin Hennig lässt durchblicken, dass das „jahrzehntelange Reizthema“ nun angepackt werden soll. Der Ratsherr verweist auf die geplanten Neubaugebiete auf dem Donnerberg, die zu einer weiteren Verschärfung der Misere führen würden. „Wird überhaupt etwas geschehen, oder ist die Donnerberg-Lobby zu stark?“, bleibt der langjährige Anlieger Herbert Bank skeptisch.


Eine Antwort kommt von Prof. Dr. Marcus Oeser, der seit vier Jahren an der Burgstraße wohnt, sich angesichts der Verkehrsverhältnisse nun aber für ein anderes, ruhigeres Domizil in der Innenstadt entschieden hat: „Die Burgstraße ist die wertvollste Straße für Stolberg; es gibt keine schönere Straße“, sagt der Leiter des Lehrstuhls für Straßenwesen und Direktor des Instituts für Straßenwesen der RWTH Aachen: „Keine andere Stadt würde dort solche Verhältnisse tolerieren.“ Kontrollen und Schilder würden keine Veränderungen zur Folge haben. Eine grundsätzliche Lösung müsse her.


Die Zustimmung kommt von allen Seiten. „Es bringt nichts, wenn die Polizei einmal morgens den Verkehr kontrolliert, wenn Anlieger vielleicht mit 15 statt 7 km/h hier fahren“, stimmt Georg Werker zu. „Aber abends und an Wochenenden, wenn hier die Autos vorgeführt werden, schaut keiner nach dem Rechten.“ Und die Polizei sähe keine Veranlassung, auf der Burgstraße konsequent zu kontrollieren. „Weil es keine spektakulären Unfälle gibt, die wir ja auch nicht haben wollen“, merkt Herbert Bank an.


Seit mehr als 30 Jahren ist es nicht gelungen, die verkehrsrechtliche Situation durchzusetzen, konstatiert Roman Groß, denn an die Schilder halte sich kaum einer: „Wir müssen durchsetzen, dass die Strecke verkehrsberuhigt nur von Anliegern genutzt werden kann.“


Doch über das Wie gibt‘s viele Ansichten. Kurzfristig soll die Beschilderung verdeutlicht und verbessert werden, ist man sich einig. „Wenn das bis Ende dieses Monats gelingt, können wir hoffen, dass die Stadt nun wirklich etwas unternehmen möchte“, sagt Blumberg.


Über eine vertane Chance spricht Herbert Bank: Als während der Sommerferien die Burgstraße zwecks Verlegung von Leitungen gesperrt war, hätten Aufpflasterungen in die Fahrbahn eingearbeitet werden können. „Alle 50 Meter ein Berliner Kissen oder Vergleichbares würde den Verkehr kontinuierlich langsam rollen lassen.“ Die Sommerferien waren schöne Wochen für die Anlieger, sind sich alle einig. „Endlich konnte man auch einmal ein Fenster aufmachen“, meint Nathalie Stercken.


Aber um mit weiteren Schikanen die Verkehrsberuhigung auf Burgstraße zu erzwingen, fehle im historischen Straßenzug der Platz. Und schnell ist die Runde beim „Schwert“, der radikalsten Lösung: eine Sperrung der Burgstraße für den Verkehr. Nicht jeder ist von dieser Idee angetan – aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch aufgrund persönlicher Einschränkungen. Aber über 80 Prozent der Anwohner sind sich einig: Nur mit einer Sperrung lässt sich die Situation auf der Burgstraße nachhaltig verbessern.


Busverkehr herausnehmen

Da stimmen Vertreter von Stadtmarketing und Gastronomie, wie Marita Matousék, Patric Peters, Manfred Blumberg und Axel Gesell („Die meisten Gäste und Besucher müssen sowieso im Umfeld parken“), ebenso zu wie die Masse der privaten Anlieger. Und sie favorisieren eine Lösung, wie sie Mitte 1985 vom Stadtrat schon einmal verworfen wurde: Eine Sperrung der Durchfahrt hinter dem gepflasterten Bereich nahe der Einmündung der Saarstraße. Wie dies technisch gelöst wird, ist an dem Abend weniger von Bedeutung. Ob mit technisch aufwendig versenkbaren Pollern, mit einer Nummernschild-Erkennung für Anlieger oder mit konventionellen Altstadtpollern ist für die Altstadtbewohner erst einmal zweitrangig.


Denn für sie steht auch fest, dass die Fahrzeuge der Aseag nicht zwingend durch die Altstadt fahren müssen. Sie sind den Anliegern ohnehin ein Dorn im Auge: „Die Busse sind größer als manches Haus hier“, markiert Oeser. Und beförderten nach den Beobachtungen außerhalb der Stoßzeiten kaum einen Fahrgast. „Die Busse könnten auch über den Burgholzer Graben fahren“, rechnet Herbert Bank vor. Die Strecke sei unwesentlich länger, aber schneller befahrbar. Das käme auf die gleiche Fahrzeit heraus. Und gleiches gelte erst recht für den Individualverkehr. Anrufsammeltaxen oder Kleinbusse könnten aber auch eine Alternative sein, räumten andere Teilnehmer ein.


Jedenfalls keimt nach zweistündiger, intensiver Debatte bei den Altstadt-Bewohnern neue Hoffnung, dass sich nach drei Jahrzehnten vergeblichen Wartens nun doch etwas bewegt bei der Verkehrsberuhigung und -sicherung auf der Altstadtachse. Die Vertreter der CDU sicherten zu, die Anliegen in die beginnende Debatte ins Rathaus zu tragen.


Stadt will im Herbst eine Befragung starten


Eine Befragung über Veränderungen der Verkehrssituation auf der Achse von Burg-, Vogelsang- und Hastenrather Straße möchte die Stadt im Herbst starten, erklärte Pressesprecher Robert Walz auf Anfrage.


Derzeit bereitet die Verwaltung Umfang, Fragestellung und Form der Befragung vor. Vorgesehen ist, den Ausschuss für Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt auf seiner Sitzung am 29. Oktober mit der Befragung zu befassen.


Quelle: Stolberger Nachrichten / Zeitung


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