Abwarten und einsteigen: Fraktion der Christdemokraten will Mitfahrerbänke nach Eifeler Vorbild für die Stadt Stolberg
Wie kommt man von A nach B, wenn man kein Auto hat, und wie kommt man zum Einkaufen oder zum Arzt? Gerade in ländlichen Gebieten sind die Menschen oft auf einen privaten Wagen angewiesen, denn der öffentliche Nahverkehr ist – sofern vorhanden – meist nur sehr schlecht ausgebaut. Ursula Berrens lebt in Speicher in der rheinland-pfälzischen Eifel. Sie hat sich intensiv mit solchen Problemen beschäftigt und eine Möglichkeit gefunden, ein bisschen Abhilfe zu schaffen: mit Mitfahrerbänken, von denen es mittlerweile 13 Stück in der Gegend rund um die kleine Stadt Speicher gibt. Auch im Stadtgebiet Baesweiler gibt es solche Bänke mittlerweile. Nun möchte die Stolberger CDU das Konzept auch für die Kupferstadt übernehmen. Heute soll im Hauptausschuss, der ab 17 Uhr tagt, darüber diskutiert werden.
Einfach von Bank zu Bank
Das Prinzip ist einfach: In einem gewissen Gebiet werden an zentralen Punkten Sitzbänke aufgestellt, an denen wiederum Schilder mit Ortsnamen befestigt sind. Will man an einen gewissen Ort mitfahren, schlägt man das entsprechende Schild auf und wartet, bis jemand vorbeifährt, der ebenfalls in diese Richtung muss. Auch der Rückweg ist kein Problem, denn zu jeder Bank gibt es am Zielort sozusagen ein „Gegenstück“.
Durch einheitliche Farbgebung und ein Logo sind die Bänke gut erkennbar. Der Wiedererkennungswert helfe den Bank-Benutzern und auch den Autofahrern, die bereitwillig anhalten, um jemanden mitzunehmen. Strategisch günstige Punkte für solche Bänke seien, so sagt Berrens, beispielsweise Bahnhöfe. Selbstverständlich hat das Bank-Netzwerk auch seine Grenzen. „Zu klein darf der Ort auch nicht sein. Und einen gewissen Anteil an Durchgangsverkehr braucht man auch. Denn wenn kein Auto vorbeikommt, dann kann mich auch niemand mitnehmen“, sagt Berrens.
Seit einigen Jahren gibt es das Projekt nun schon in der Südeifel. „Die Bänke, die wir aufgestellt haben, schließen eine kleine Lücke im Mobilitätsnetzwerk im ländlichen Raum“, erklärt Ursula Berrens im Gespräch mit unserer Zeitung. „Sie kennen das doch: Es fährt zwar ein Bus, aber sehr sporadisch. Man will nicht, nur um mal einkaufen zu können, schon wieder mit der Nachbarin mitfahren, die sich nur über die böse Schwiegertochter beklagt“, erzählt Berrens von der Alltagssituation vieler Menschen, die auf dem Land leben und nicht mit einem eigenen Auto fahren können – aus welchem Grund auch immer. „Das Gefühl, ständig auf Familienmitglieder oder Bekannte angewiesen zu sein, diese absolute Abhängigkeit, ist für ältere Menschen oft ein Problem.“
Wenn man sich aber auf eine der Bänke setze, sei es ja dem Zufall überlassen, wer anhält und einen mitnimmt. Und dieses Zufallsprinzip bedeute ein Stück Freiheit: „Es geht um die Freiheit, die Freiheit im Kopf“, sagt Ursula Berrens.
Zentralisierung betrifft alle
Doch hinter den Mitfahrerbänken steckt für die Frau aus Speicher in der sehr dünn besiedelten Südeifel noch mehr: „Das Thema demografischer Wandel und die zunehmende Zentralisierung betrifft jeden, der im ländlichen Raum lebt“, ist sie überzeugt. Durch die Mitfahrerbänke könne es gelingen, das Netzwerk innerhalb eines Dorfes oder zwischen zwei Nachbardörfern zu stärken. „Man kommt miteinander ins Gespräch.“
Ähnlich argumentiert nun auch die Stolberger Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), auf deren Initiative Ende April der Antrag, solche Bänke aufzustellen, bei der Stadt eingegangen ist. „Die Bänke dienen der Erweiterung der persönlichen Mobilität einzelner Bürger“, schreibt CDA-Vorsitzender Udo Rüttgers. Er betont die soziale Komponente zur Unterstützung der Mobilität junger sowie älterer Menschen.
Das Konzept geht auf: „Die Bänke ersetzen kein Massentransportmittel, sie werden bei uns aber durchaus angenommen – auch wenn nicht täglich Hunderte oder Tausende Menschen darauf sitzen. So viele Leute leben hier nämlich gar nicht“, sagt Berrens, „Aber für die, die sie benutzen, sind sie eine wichtige Alltagshilfe.“
Kosten sind überschaubar
Teuer seien die Bänke nicht, sagt Ursula Berrens, weder in der Anschaffung noch in der Unterhaltung. „Wichtig ist, dass es jemanden gibt, der ein Auge darauf hat.“ In Speicher seien es oft Nachbarn oder beispielsweise der Eifelverein, der sich um die Bänke kümmert. Auch in Baesweiler halten sich die Kosten nach Ansicht der CDA im Rahmen: 7000 Euro habe man dort für das Projekt ausgegeben.
Dass man am nördlichen Ende der Eifel das Prinzip aus Speicher übernehmen möchte, freut Ursula Berrens. „Mein Ziel ist es, das Netzwerk der Bänke auszubauen. Wer weiß, vielleicht kann man ja eines Tages von Speicher nach Stolberg fahren, und das alleine danke Mitfahrerbänken.“
Quelle: Stolberger Nachrichten / Zeitung