Die will Tim Grüttemeier (CDU) gemeinsam mit den Kommunen nutzen, wenn er als Städteregionsrat gewählt wird
Nach einem Ort gefragt, der für ihn die Städteregion am besten symbolisiert, muss Tim Grüttemeier nicht lange überlegen: Es ist der Flugplatz Aachen-Merzbrück in Würselen. Er steht seiner Meinung nach für das Thema Mobilität und das Zukunftspotenzial der Städteregion. Mit Autobahn- und Euregiobahnanschluss verbinde der Flughafen schon heute unterschiedliche Verkehrsmittel, und er stehe für interkommunale Zusammenarbeit, sagt der Stolberger Bürgermeister, der die Nachfolge von Städteregionsrat Helmut Etschenberg antreten will und für die CDU ins Rennen um die Gunst der Wählerinnen und Wähler geht.
„Gestalten wir Zukunft. Mit Tim“, steht denn auch auf vielen Plakaten, auf Werbeflyern wird dieser Slogan ergänzt um die Aufforderung: „Reden wir über Zukunft. Ich freue mich auf Sie.“ Merzbrück ist für den 38-jährigen promovierten Juristen nur ein Beispiel dafür, welch große Chancen sich der Städteregion im anstehenden Strukturwandel aufgrund des absehbaren Endes der Braunkohle bieten. Dieser stelle die gesamte Region vor große Herausforderungen. „Wir brauchen Arbeitsplätze für Leute, die an den Hochschulen hervorragend ausgebildet sind, aber auch für die, die geringer qualifiziert sind. Das ist fast noch wichtiger als das andere.“
Entstehen können und sollen neue Arbeitsplätze etwa rund um den Flugplatz Merzbrück, wo unter anderem RWTH und Fachhochschule Aachen Elektroflugzeuge entwickeln und, wenn es gut läuft, von einer ausgegründeten Firma bauen lassen wollen, sagt Grüttemeier, der zuversichtlich ist, dass dies gelingen wird. Schließlich sei der ebenfalls in Aachen entwickelte Streetscooter ein Erfolgsmodell geworden. „Wenn wir vor zehn Jahren gesagt hätten, dass Aachen Automobilstadt wird, hätte man uns ausgelacht.“ Auch in Stolberg, wo am Hauptbahnhof ein Logistikzentrum geplant ist, werden neue Arbeitsplätze entstehen, sagt er. „In dem Bereich braucht man klassischerweise nicht den studierten Ingenieur“, betont Grüttemeier.
Wichtig ist ihm in diesem Zusammenhang die Feststellung, dass keine Kommune allein die großen Herausforderungen wird meistern können – auch Aachen nicht. Doch auch fast zehn Jahre nach Gründung der Städteregion gibt es für seinen Geschmack noch viel zu häufig ein „Kirchtumdenken.“
Dabei gebe es Bereiche, in denen die Städteregion erfolgreich sei, etwa bei den Berufskollegs oder bei der Errichtung eines gemeinsamen Gewerbeflächenpools. Aber es sei ein anstrengender Prozess, „wir reden ja von freiwilliger Kooperation“. Als Städteregionsrat wolle er dafür werben, den Leitspruch „weil es gemeinsam besser geht“ aus den Anfangsjahren in der Tagespolitik umzusetzen. Felder, in denen es gemeinsam besser geht, gibt es nach Ansicht von Tim Grüttemeier genug. Das fängt für ihn beim öffentlich geförderten Wohnungsbau an und hört beim Öffentlichen Personennahverkehr noch lange nicht auf. Bei letzterem geht es Grüttemeier auch darum, die Busverbindungen zwischen den zehn Kommunen zu verbessern. Und mit Blick darauf, dass von Arbeitnehmern schon lange Flexibilität gefordert wird und viele von ihrem Wohnort in einen anderen Ort zur Arbeit pendeln, fordert der Vater von zwei Söhnen (neun und sechs Jahre alt) von den Kommunen Flexibilität in Sachen Kinderbetreuung.
„Die Lebenswirklichkeit der Menschen ist eine andere als unsere Verwaltungsstrukturen es hergeben. Bislang hat man nur an seinem Wohnort Anspruch auf einen Kita-Platz. Wir müssen eine städteregionale Lösung finden“, sagt Grüttemeier. „Bis jetzt schaut jede Kommune nur auf die eigenen Kinder.“
Eine städteregionsweite Lösung strebt der nach eigener Aussage „leidenschaftliche Familienmensch“ auch beim Thema Digitalisierung an. „Es macht keinen Sinn, wenn beispielsweise die zehn Kommunen unterschiedliche Bürgerportale aufbauen“, nennt Grüttemeier ein Beispiel. Gleiches gilt seiner Meinung nach für die Digitalisierung der Schulen. „Da müssen wir gemeinsame Standards festlegen.“ Es sei wenig sinnvoll, wenn beispielsweise in der einen Stadt mit Tablets der Firma X und in der anderen mit solchen der Firma Y gearbeitet werde. Wenn es gelinge, in solchen Bereichen Lösungen zu finden, zeige sich den Bürgern schnell, welchen Mehrwert die Städteregion bringt, ist Grüttemeier überzeugt.
Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen sei ein hohes Gut, sagt er. Die Städteregion müsse nicht jede Aufgabe an sich ziehen. Aber sie könne dort, wo eine Aufgabe zu groß für einzelne Kommunen sei, unterstützend wirken. Die Sozialplanung sei ein Beispiel dafür, meint Tim Grüttemeier: Die Städteregion habe in Kooperation mit den Kommunen eine Datensammlung und -analyse erstellt, die auch interkommunale Vergleiche erlaube, aber die Umsetzung der daraus abzuleitenden Handlungsempfehlungen obliege letztlich den Kommunen.
Konsequent fortführen will der Stolberger das Engagement der Städteregion für die Abschaltung der belgischen Atommeiler Tihange und Doel. Zugleich sollte sich die Städteregion „an die Spitze der Bewegung setzten“, die mit den Belgiern über Alternativen zur Stromversorgung diskutiert. „Ich glaube, dass es dann möglich ist, einvernehmliche Lösungen zu finden.“
In seiner Heimatstadt Stolberg ist Tim Grüttemeier, der sich am besten entspannen kann bei Waldläufen und „wenn ich meinen Jungs beim Fußballspielen zuschaue“, Chef von rund 1000 Verwaltungsbeschäftigten, als Städteregionsrat wäre er für mehr als doppelt so viele Menschen verantwortlich. Doch diese Vorstellung bringt ihn nicht aus der Ruhe. „Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe. Aber der Sprung, den ich 2014 gemacht habe – aus der Anwaltskanzlei als Bürgermeister ins Stolberger Rathaus –, der war größer.“
Quelle: Stolberger Nachrichten / Zeitung