Am Tag nach der Wahl blickt Tim Grüttemeier auf seine siebenjährige Amtszeit als Städteregionsrat. Dezernat 1 will er selbst leiten.
Die Nacht nach dem Sieg war ziemlich kurz. „Wir haben mit unseren vielen Helfern und Parteifreunden in der Zweifaller Hütte in Vicht eine schöne Party gefeiert“, berichtet Tim Grüttemeier (CDU). Das hält den 38-Jährigen aber nicht davon ab, bereits um 7.30 Uhr wieder am Schreibtisch zu sitzen. Noch ist sein Arbeitsplatz im Stolberger Rathaus. Doch die Tage als Bürgermeister seiner Heimatstadt sind gezählt. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät der zukünftige Städteregionsrat, wie er seinen Wechsel vorbereiten und was er in seinem neuen Amt mit Priorität angehen will.
Mit welchem Gefühl sind Sie heute Morgen zur Arbeit gefahren?
Grüttemeier: Das war schon ein komisches Gefühl. Einerseits habe ich über Monate darauf hingearbeitet, diese Wahl zu gewinnen und Städteregionsrat zu werden. Andererseits bin ich mit meiner Heimatstadt emotional eng verbunden und weiß jetzt, dass ich nicht mehr lange Bürgermeister von Stolberg sein werde. Ich glaube, es ist heute noch zu früh, das alles richtig einordnen zu können.
Im ersten Viertel der Stichwahl-Auszählung lag Ihre Konkurrentin Daniela Jansen von der SPD vorne. Haben Sie da gedanklich schon mal den Plan B aus der Schublade geholt?
Grüttemeier: Den gab es nicht, weil ich im Falle einer Niederlage ja noch bis 2020 Bürgermeister geblieben wäre und zwei Jahre Zeit gehabt hätte, mir eine neue Aufgabe zu suchen. Sicherlich wäre aber eine Rückkehr in meinen Beruf als Rechtsanwalt in Frage gekommen. Ich habe den Kontakt zu meiner alten Kanzlei nie abreißen lassen und habe immer gesagt, dass ich nicht von der Politik abhängig sein will.
Sie haben mit 38 Jahren schon die Station Bürgermeister hinter sich gelassen. Sind Sie ein strebsamer Mensch?
Grüttemeier: Ich habe sicherlich einen gewissen Ehrgeiz. Aber in erster Linie bin ich meine Aufgaben immer aus Überzeugung und mit viel Spaß angegangen. Klar ist doch: Man kann eine politische Karriere nicht steuern. Jeder, der sich in der Politik einen Karriereplan zurechtlegt, der wird scheitern.
Sie haben jetzt immerhin sieben Jahre Planungssicherheit. Was ist Ihr Anspruch für diese Zeit?
Grüttemeier: Sieben Jahre sind eine so lange Zeit, dass es gelingen muss, die Dinge, die wir uns vorgenommen und in den vergangenen Monaten thematisiert haben, voranzubringen. Ich bin für sieben Jahre als Städteregionsrat gewählt worden, da möchte ich bleibende Spuren hinterlassen.
Sie haben angekündigt, die Schwerpunktthemen aus Ihrem Wahlkampf zügig angehen zu wollen. Was heißt das konkret?
Grüttemeier: Das heißt zum Beispiel konkret, dass wir das Projekt Regiotram realisieren müssen. In meiner Wahrnehmung gibt es in der Städteregion dazu die politische Bereitschaft. Weil mehrere Kommunen betroffen sind, sollte die Städteregion hier den Hut aufhaben. Es wird meine Aufgabe sein, dieses Vorhaben anzutreiben. Das gilt auch für den Strukturwandel. Das Braunkohlekraftwerk in Weisweiler wird spätestens 2030 stillgelegt. Das ist quasi morgen. Aber wir haben immer noch keine konkrete Vorstellung davon, wie der Standort in Zukunft genutzt werden soll. Ein weiteres Beispiel ist die Digitalisierung. Wir sind als Stadt und Städteregion Aachen seit einem halben Jahr Modellregion. Aber es gibt noch keine Digitalisierungsstrategie. Hier werde ich einen weiteren Schwerpunkt setzen und möchte bis Ende 2019 konkrete Ergebnisse erzielen.
Stehen Sie unter Erfolgsdruck?
Grüttemeier: Ja, aber nicht von außen, sondern nur gegenüber mir selber. Ich möchte, dass die Menschen möglichst bald meine Handschrift erkennen können.
Gilt das auch für die städteregionale Verwaltung?
Grüttemeier: Ich werde sicherlich nicht alles auf den Kopf stellen, behalte mir aber sehr wohl vor, nach einem Jahr eine erste Bilanz zu ziehen. Eine konkrete Veränderung wird es in der Verwaltungsspitze geben. Wenn Axel Hartmann im Januar in den Ruhestand geht, wird das von ihm geleitete Dezernat 1 in meine Zuständigkeit übergehen. Bislang hat der Städteregionsrat kein eigenes Dezernat geleitet, das möchte ich ändern, zumal dort die sehr wichtigen Bereiche Personal und Digitalsierung angesiedelt sind. Außerdem können wir so eine Dezernentenstelle einsparen.
Übernehmen Sie sich damit nicht?
Grüttemeier: Das glaube und hoffe ich nicht. Es ist aber durchaus eine große Herausforderung. Und ich sage auch ganz offen nicht ausschließen zu können, dass ich in zwei Jahren feststellen werde, dass das tatsächlich zu viel ist.
Ab wann werden Sie in der Übergangszeit mehr Städteregionsrat als Bürgermeister sein?
Grüttemeier: Ich habe sehr bewusst darauf verzichtet, vor der Wahl irgendwelche Termine zu vereinbaren, werde aber mit Sicherheit in den kommenden Wochen zahlreiche Gespräche vor allem mit dem scheidenden Amtsinhaber Helmut Etschenberg und mit den Dezernenten führen. Bürgermeister von Stolberg bin ich aber definitiv bis zum 31. Dezember. Meine letzte Amtshaltung wird an diesem Tag um 16 Uhr eine standesamtliche Trauung im Rathaus sein.
Quelle: Stolberger Nachrichten / Zeitung