Naturschutz wird vor Ort gemacht! Unser Antrag Streuobstwiesen auf Brachflächen anzulegen und die Beschlüsse des Stadtrates, weitere Blühstreifen in Form von Wildblumen anzulegen und aufzustellen, "tragen Früchte". Ökologie ist uns wichtig, um Stolberg nachhaltig zu entwickeln und für uns alle lebenswert zu gestalten!
Beitrag der Stolberger Zeitung:
Der Winter geht, der Sommer kommt. Zumindest nimmt das Technische Betriebsamt (TBA) den Lenz bereits fest ins Visier. Die große Frühjahrsoffensive steht an, die die Türe zu bienenfreundlichen Grünanlagen aufstoßen soll.
„Es wird sicherlich eine Frage der Akzeptanz werden“, sagt Patrick Haas. „Wie werden die Bürger die neuen Grünanlagen akzeptieren und respektieren?“, fragt sich der Bürgermeister. Als Politker und Verwaltungschef setzt er auf insektenfreundliche Grünanlagen, auf Blühstreifen heimischer Pflanzen, die Bienen & Co. eine Nahrung bieten – eine Hilfestellung zum Überleben zunehmend bedrohter Arten.
Insektenfreundliche Blühoffensive
Das Bienensterben schrieb im vergangenen Jahr Schlagzeilen. Die Bereitschaft zu handeln wuchs. Anträge wurden gestellt, Konzepte erarbeitet, und nun steht die Umsetzung an. Freunde von mit Nagelscheren getrimmten Rasenflächen werden die Blühstreifen mit Argusaugen beargwöhnen. All das, was dort mit heimischen Blumenarten zur Labsal der Insekten dekoriert wird, wird gemeinhin als Unkraut bezeichnet. Wildkräuter wäre der passendere Ausdruck.
Aber Golfrasen-Freunde müssen keine Bange haben. Nicht überall im Stadtgebiet werden die Blühteppiche ausgerollt. Punktuell soll ein Einstieg gewagt werden. Eher überschaubar auf gut 255 Quadratmetern werden erste farbige Akzente gesetzt.
Es soll keine radikale Revolution werden. Dies nicht nur mit Blick auf die Bürgerschaft, sondern auch auf die Truppe von Georg Paulus. Die Mitarbeiter des TBA müssen selbst Erfahrungen sammeln mit den insektenfreundlichen Wildkräutern. Schon lange wird die Blühoffensive geplant und vorbereitet. Aber ob im Alltag die Natur so mitspielt, wie es sich der Mensch gedacht hat, kann nur die Praxis zeigen. Und das Wetter, und das ist längst keine verläßliche Größe mehr.
Das hat man im vergangenen Jahr in „Ribbecks Garten“ erlebt, wo Trockenheit und Hitze die Blühkräuter ausgebremst haben. Ganz gemeine Ackerkräuter eroberten sich die Hoheit über die Grünanlage im Büsbacher Neubaugebiet. Wie sie sich in diesem Jahr entwickelt, bleibt abzuwarten. Die Obstbäume keimen jedenfalls langsam aus.
„Es ist eine Frage des Standortes“, sagt Tobias Röhm mit Blick auf die Blühstreifen. „Sie müssen schon auf die Sonne ausgerichtet sein“, so der Technische Beigeordnete. Im Schatten liegende Standorte sind nun einmal nicht ideal für die Blühpflanzen. Zudem erweise sich Gefälle in den Beeten als wenig geeignet, weil das Saatgut bei Regen weggeschwemmt werden kann.
„Was blüht denn da?“ Auch mit dieser Frage haben sich Georg Paulus und Umweltexpertin Doris Tomski im Vorfeld intensiv auseinandergesetzt. Der Handel bietet sehr unterschiedliche Mischungen unf Qualitäten an. Ein Großteil der Mischungen besteht aus ein- und zweijährigen Blütenpflanzen und vielfach aus nicht heimischen Arten, so dass sie nicht zwingend geeignet sind für die Stolberger Insektenwelt. „Die selteneren und spezialisierten Wildbienen finden dort keine Nahrung“; weiß Paulus. Die weitere Recherche führte zu Anbietern von regionalem Saatgut und endete schließlich be ider Mischung 01 „Blumenwiese“.
Nach Katalog halten sich zwar Gräser- und Blühpflanzenanteil die Waage, aber für den Einsatz in der Kupferstadt werden ausschließlich blühende Pflanzen zusammengemischt. Dabei sind von den 36 blühenden Sorten sogar 33 in Stolberg heimisch. Sie erreichen eine Höhe von 80 bis 100 Zentimeter und vertragen bei Bedarf eine zwei- bis dreimalige Mahd.
Die Mischung genügt nicht nur gesetzlichen Anforderungen, sondern wurde auch bereits durch die Biologische Station im Rahmen des Leader-Projektes „Dorf Bio Top“ im Stolberger Süden verwendet. Diese Mischung können in wenigen Wochen auch die Stolberger kostenfrei für ihre eigenen Gärten beziehen. Voraussichtlich Anfang April werden die „Kupferstädter Blumenwiesen“ im mit dem Stadtwappen geprägten zu zwei Gramm zu beziehen sein. Zum Auftakt werden 5000 Portionen für die Stolberger abfüllen. „Wir sind gespannt auf die Resonanz“, sagt Paulus.
Das TBA selbst bezieht erst einmal fünf Kilogramm dieser Saatmischung mit zweijährigen Pflanzen. Anfang April laufen auch die Vorbereitungen der „Paulus -Jünger“ in den städtischen Grünbeeten an. Dort, wo jetzt Rasenflächen sind, werden „Blüh-Tupfer“ angelegt. Ein Teil des Rasens wird abgeschält, der Mutterboden vorbereitet und die Mischung eingesät. Rund 255 Quadratmeter Blühstreifen sollen zunächst angelegt werden.
Dazu zählen beispielsweise die vor kurzem neu gestalteten Anlagen an der Rathausumfahrt, die Ecke an der Brauereistraße und an der Zufahrt zum Parkplatz Mühlener Ring, die Wiese vor der alten Schule in Breinig sowie vor dem Kulturzentrum, wenn die Grünanlage vom Tiefbauunternehmen wieder hergestellt ist, die Wiese vor der Villa Lynen sowei zwei Anlagen am Horster Hof: die Zufahrt zum Duffenter Hof und ein Parallelweg. Ob die Ecke von Schellerweg und Europastraße ein Blühbeet erhalten kann, ist angesichts von Gefälle und Beschattung noch fraglich.
Darüber hinaus will das TBA bei Beeten und Kübeln im Stadtgebiet vermehrt auf eine bienenfreundliche Bepflanzung während der Sommermonate wert legen, wobei „wir auch auf die Attraktivität für die Bürger achten werden“; beschreibt Georg Paulus den doppelten Anspruch und verweist auf das ohnehin angelassene Projekt der „grünen Trittsteine“: Durch die Aufwertung vieler kleiner Grünanlagen im Stadtgebiet soll eine tiergerechte Vernetzung erreicht werden.
Zudem steigt das TBA im Frühjahr in die Hotelbranche ein – mit Bienenhotels für die Stolberger Bürger. 45 Euro kosten die Nisthilfen, die speziell auf die Bedürfnisse der heimischen Insekten zugeschnitten sind. Für Insektenhotels gilt Vergleichbares wie für Saatmischungen: Die im Handel angebotenen Unterkünfte entsprechen nicht immer den Anforderungen ortsansässiger Arten. Aber auch in diesem Fall haben die Recherchen zu einem „Kupferstädter Bienenhotel“ geführt. Zunächst 40 Exemplare wird das TBA aufhängen; weitere 100 werden kostenfrei den Bürgern zur Verfügung gestellt. Für die Hotels gilt es ebenfalls einen möglichst sonnigen und ruhigen Standort zu wählen, damit sowohl die Wildbienen wie auch Menschen möglichst wenig gestört werden.
Und damit der gemeine Stolberger auch alles richtig macht oder sich über die städtischen Anreize hinaus selbst engagieren möchte, wird eine kleine Broschüre mit alles Wissenswertem rund um heimische Blühpflanzen und Hotels aufgelegt.
Alte heimische Arten
Darüber hinaus möchte die Stadt noch intensiver in das „Obstgeschäft“ einsteigen, als sie es mit „Ribbecks Garten“ zum Einstieg getan hat. Dort wurden eine Reihe von Obstbäumen und Beeren auch mit dem Ziel angelegt, dass sich die Bürger dort bedienen dürfen. Diese Marschrichtung wird nun mit der Anlage von zwei Streuobstwiesen weiter verfolgt. Jeweils rund 2500 Quadratmeter groß für 30 bis 40 Bäume sind die ortsnahen Wiesen, die dafür auserkoren sind. Eine Streuobstwiese soll angelegt werden am Breiniger Ortsausgang an der Ecke von Buttergasse und Winterstraße, eine zweite in den Wiesen hinter dem Friedhof Venwegen.
Welche Sorten angepflanzt werden ist noch ungewiss, gesichert ist nur die Absicht, unterschiedliche und alte heimische Arten auszuwählen. Zunächst sollen Bodenuntersuchungen Aufschluss geben, welche Obstarten für die Standorte geeignet sind. Die Pflege der beiden Anlagen hat der CDU-Ortsverband zugesagt, von dem die Initiative für die Obstbaumwiesen ausgegangen war.
Streuobstwiesen zählen zur Kulturlandschaft hiesiger Breiten. Ihr Bestand ist aber trotz aller Bemühungen von Naturschutzverbänden rückläufig. Zudem sind Streuobstwiesen einer der artenreichsten Lebensräume für eine vielfältige, aber zunehmend vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenwelt.